Während der Einweihung des Pema Choling praktiziert Rinpoche ein Naga-Opfer für die mächtigen Wassergeister – mit verblüffendem Ergebnis!

Es wird Mittag, bis wir mit der Einweihungs-Zeremonie des Pema Choling beginnen können.

Weil Rinpoche das Pema Choling mit einem Naga-Opfer einweihen möchte, mussten erst in aufwendiger Kleinarbeit Tormas – traditionelle Opferkuchen – geknetet werden.

Rinpoche und Suriyel waren sicher eine Stunde damit beschäftigt, aus Haferflockenteig kleine Wassertiere und Kügelchen zu formen. https://www.water-runs-east.eu/opfer/

Jetzt steht der Teller mit den Haferflockentieren und den Kügelchen auf dem improvisierten Altar im Pavillon am Weiher. Daneben befindet sich eine Tasse mit Ziegenmilch, in die Rinpoche eine spezielle nepalesische Kräutermischung gerührt hat.

Während Rinpoche und Suriyel die Tormas basteln, treffen die „Tagesgäste“ ein. Mein Zen-Dharma-Bruder kommt aus Berlin und bringt seine kleine Tochter mit. Eine Dharma-Schwester aus Bayern hat ihren Urlaub so geplant, dass sie auf dem Weg an die Ostsee im Pema Choling vorbeikommen kann. Schließlich fährt mein Bruder samt Familie vor.

Mein Bruder ist der einzige, der das Pema Choling bereits kennt. https://www.water-runs-east.eu/besichtigung/

Alle anderen sind das erste Mal hier – und sind entzückt!

Was mich sehr freut.

Aber vor allem bin ich erleichtert, dass sich der Regen der letzten Tage verzogen hat und – pünktlich zum Besuch von Rinpoche – die Sonne scheint.

Weil schönes Wetter ist, können die Gäste auf der Wiese neben dem Weiher bewirtet werden. Bei Regen hätten wir mit der unsanierten Schwarzküche im Haupthaus vorlieb nehmen müssen.

Und dass nicht alle Gäste in den kleinen Pavillon passen, in dem Rinpoche das Nago-Opfer praktizieren wird, ist bei Sonnenschein auch kein Problem. Wir öffnen die Flügeltüren und wer Innen keinen Platz findet, setzt sich draußen ins Gras.

Überhaupt hat sich alles auf das Beste gefügt!

Der Regen der letzten Tage hat den Wasserspiegel des Weihers merklich ansteigen lassen.

Was ein großes Glück ist!

Durch die Trockenheit des Frühjahrs betrug die Wassertiefe zuvor höchstens einen Meter. Suriyel war so besorgt gewesen, dass das Wasser im Weiher kippen könnte, dass er vor zwei Wochen in der Mitte des Teichs eine Wasserpumpe installierte.

Obwohl der Wasserstand jetzt höher ist, hat Suriyel die Pumpe eingesteckt. In der Mitte des Weihers verankert, plätschert eine Wasserfontäne vor sich hin.

Rinpoche hat von seinem Platz im Pavillon aus einen perfekten Blick auf den Weiher und die Fontäne. Er trohnt neben dem Altar auf meinem grünen Samtsessel und wartet geduldig, bis alle Gäste ihren Platz gefunden haben.

Auf meinem Coffee-Table hat Rinpoche alles platziert, was er für die Zeremonie braucht: Dorje und Glocke, seine kleine Handtrommel, eine Schüssel mit Rauchpulver, eine mit Safran-Wasser gefüllte Bumpa, ein mehrstöckiges Mandala aus Metall und dazu noch einen Stapel länglicher Papierstreifen, auf die der Text des Zeremoniells gedruckt ist.

Die Teilnehmer haben die Texte nur als pdf auf dem Handy. Besser als nichts, aber zum Mitrezitieren mit Rinpoche nicht ideal.

Wir geben trotzdem unser Bestes, mit Rinpoche mitzuhalten, der sich Seite um Seite durch den Text arbeitet.

Als wir mit der Eröffnungsgebeten durch sind, legt Rinpoche überraschend einen Stop ein.

„Is this water-pump neccessary?“, fragt er Suriyel, während er mit dem Finger nach draußen auf die vor sich hin plätschernde Fontäne weißt.

„Not really“, antwortet Suriyel.

„Switch it out“, befielt Rinpoche.

Suriyel steht auf und geht ins Freie. Die Pumpe ist an der Außenwand des Pavillons mit der Steckdose verbunden. Kaum hat Suriyle den Stecker gezogen, legt sich tiefe Stille über den Weiher.

„Much better!“, stellt Rinpoche zufrieden fest, bevor er mit dem Naga-Opfer beginnt.

Zuerst werden die Gäste eingeladen: die Hauptwassergeister, die Dharma-Schützer-Wassergeister und am Schluss die örtlichen Naturwassergeister. https://www.water-runs-east.eu/naga-offering/

Als die Wassergeister-Gäste versammelt sind, weiht Rinpoche die Tormas, kippt die kleinen Haferflocken-Kügelchen in die Ziegenmilch und winkt zwei Dharma-Brüder aus der Gruppe zu sich.

Die beiden bekommen den Auftrag, die Opfer-Kuchen am Ufer des Weihers zu platzieren, während wir anderen – im Pavillon sitzend – wieder und wieder ein Mantra rezitieren.

Den drei Kindern unter den Gästen ist das Zeremoniell inzwischen zu langweilig geworden. Begleitet von ihren Eltern halten sie am Ufer des Weihers Ausschau nach Fröschen.

Die beiden Dharma-Brüder kommen wieder in den Pavillon, den leeren Teller und die leere Tasse in der Hand.

Die Tormas und die in der Ziegenmilch getränkten Haferflockenkügelchen haben sie hinter dem Pavillon direkt am Ufer des Weihers ins Gras gelegt.

Rinpoche greift zur Trommel, um im Ritual fortzufahren. Die Wassergeister-Gäste müssen verabschiedet werden.

Auf einmal werden wir aus unserer Konzentration gerissen. Am Ufer des Weihers herrscht Aufregung. Von meinem Platz aus sehe ich nur die Kinder, die aufgeregt schreiend ins Wasser zeigen.

„Eine Schlange!“, ruft einer, der mit Blick auf dem Weiher im Pavillon sitzt. „Dort schwimmt eine riesige Wasserschlange!“

Alle springen auf, um einen Blick auf die Schlange zu erhaschen und verstellen sich gegenseitig die Sicht.

„Jetzt ist sie im Uferdickicht verschwunden“, erklärt einer aus der Sangha.

Schade. Ich war zu langsam.

Alle sind aufgeregt. Nicht nur die Kinder. Auch die Erwachsenen.

„Die kam von da drüben!“, ruft einer der beiden Männer, der das Naga-Opfer ausgelegt hatte. „Die kam direkt von den Tormas und schwamm danach quer über den Weiher!“

Der einzige, der ruhig und unbeeindruckt bleibt, ist Rinpoche. Er sitzt entspannt auf dem grünen Samtsessel und ist offensichtlich kein bisschen erstaunt über unseren Gast.

Nüchtern betrachtet: Warum sollte er es sein?

Schließlich hatten wir die Nagas – die Wassergeister – ausdrücklich eingeladen. https://www.water-runs-east.eu/nagas/

Und Nagas – das weiß in Nepal und Tibet jedes Kind – sind magische Wasserschlangen.

Wenn keine Wasserschlange käme, wenn Rinpoche ein Ritual für sie volllzieht, wäre er ein schlechter Lama.

So sieht das vermutlich Rinpoche.

Er ist Profi. Ausgebildet als buddhistischer Schamane – denn das sind die Nyingmas, zu denen Rinpoche gehört – seit er acht Jahre alt ist.

Wir dagegen: Naive Westler, die brav ihre Meditation praktizieren. Über Jahre. Manche seit Jahrzehnten.

Und gleichzeitig sind wir nie wirklich sicher, dass das, was wir so hingebungsvoll praktizieren, mehr ist als kluge Psychologie.

Deshalb stellt die Wasserschlange für uns einen Bruch unserer Realität dar.

Nach dem Zeremoniell versammeln sich die Gäste und Rinpoche um die lange Tafel am Weiher. Es gibt Kaffee und Kuchen.

Und einiges zu besprechen.