Zazen – das Sitzen in der Stille – ist die zentrale Mediation im Zen des Spirituellen Zentrums…

Es gibt nur wenige Beschäftigungen, die mein pedantisches Ego und meine intuitive Innere Stimme gleichermaßen lieben. Konkret sind das: Wandern, Kochen, Schreiben, Klassische Musik hören – und Zazen.

Beim stundenlangen bewegungslosen Meditieren in der Stille während eines Sesshins sind meine intuitive Innere Stimme und mein Ego beide glücklich.

Allerdings aus völlig verschiedenen Gründen: der Zendo – und das kleine schwarze Meditationskissen darin – ist einer der ganz wenigen Orte, an denen sich mein ängstliches Ego entspannen kann.

Es darf einfach nur „Da-sein“ und dabei dem Atem lauschen, der kommt und geht, den Körper spüren, der unbewegt im Lotussitz auf dem kleinen schwarzen Kissen platziert ist – und zur Ruhe kommen.

Es muss nichts kontrollieren – es ist alles perfekt organisiert.

Es muss sich nicht damit herumplagen, was es jetzt, in den nächsten fünf Minuten oder heute Abend tun oder lassen soll – es ist alles festgelegt.

Es muss sich nicht überlegen, wie es irgendjemand irgendwas erklärt – während der nächsten Tage ist Sprechen verboten.

Es muss nicht ständig die Umgebung nach Gefahren scannen und Überlebensstrategien durchspielen – der Hof ist „Safe Space“.

Das Ego darf sich zurücklehnen, alle Viere von sich strecken und zum Mitläufer werden. Was es genießt.

Mein Ego ist – das habe ich durch Zazen gelernt – von bescheidener Natur: es hat weder das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Anerkennung, noch möchte es über andere bestimmen. Im Gegenteil: das sind genau die Modi, in denen es sich unwohl fühlt.

Mein Ego ist kein egozentrischer Tyrann. Mein Ego ist ein ängstlicher Neurotiker. Es will Ordnung und Struktur. Menschen und Situationen sollen berechenbar, alles Notwendige zuverlässig vorhanden sein.

Dann ist es gut, findet das Ego. Mehr braucht es nicht.

Für all das ist am Hof gesorgt. Sobald der Assistent mit dröhnendem Gongschlag die erste Runde Zazen zu Beginn eines Sesshins einläutet, geht das Ego auf seinem kleinen schwarzen Kissen deshalb in den Entspannungsmodus über.

Und meine intutitive Innere Stimme atmet erleichtert auf: Endlich Ruhe!

Bevor die beiden mit Zazen begannen, war meine intuitive Innere Stimme vierundzwanzig Stunden täglich damit beschäftigt, das hysterische Ego zu stabilisieren. Ein Drama jagte das nächste!

Die intuitive Stimme besänftigte und beruhigte, setzte Katastrophen-Phantasien des Egos Happy Ends entgegen, offerierte Ablenkungsangebote – und fühlte sich andauernd erschöpft und überfordert.

Irgendwann ergab es sich, dass sich das neurotische Ego auf dem Hof und in Willigis Ostergottesdienst wiederfand. Die intuitive Innere Stimme wird das ihrige dazu beigetragen haben. Was – und wie das alles zugegangen ist – darüber schweigt sie sich bis heute aus.

Das Ego war von Anfang an begeistert und klagte und jammerte kein bisschen, als ihm die intuitive Innere Stimme den Besuch des Zen-Einführungsseminars vorschlug.

Dort angekommen, saß das Ego keine fünf Minuten das erste Mal in Zazen auf dem kleinen schwarzen Kissen, als es begriff, dass es genau die Tätigkeit und den Ort gefunden hatte, nach dem es sich sein Leben lang gesehnt hatte.

Und die intuitive Innere Stimme musste sich das erste Mal in diesem Leben nicht um das Ego kümmern, sondern konnte sich auf sich selbst konzentrieren.

Ergebnis: so bescheiden und unkompliziert das Ego ist, so dominant und komplex ist die intuitive Innere Stimme.

Das Ego darf im Alltag gerne freundlich und bescheiden sein. Das stört die intuitive Innere Stimme kein bisschen. Auch sie schätzt Harmonie. Je größer die Stille im Außen und Innen, desto besser kann sie wahrnehmen was ist – und sich danach ausrichten.

Denn das ist ihre Funktion: sie hat – in einer Weise, die sich weder verstehen noch durch Sprache erklären lässt – Zugang zu etwas, von dem das Ego keine Ahnung hat. Was das ist, darüber schweigt die Innere Stimme. Und beschränkt sich – wenn das Ego wieder einmal auf Erklärungen drängt – auf ein Lächeln.

Wie immer es auch zugehen mag: wenn das Ego befriedet ist, kann die Innere Stimme beide mit traumwandlerischer Sicherheit durchs Leben führen. Von Wunder zu Wunder, wie sich über die Jahre herausgestellt hat.

Deshalb lieben die beiden Zazen. So einfach ist das…