Nach Monaten des Wartens ist es endich so weit: An einem sonnigen Märztag breche ich auf, um das alte Pfarrhaus von Dewitz zu kaufen…

Die Nacht vom 02. auf den 03. März verbringe ich auf Suriyels Küchensofa im 9. Stock eines Plattenbaus irgendwo im Osten Berlins. https://www.water-runs-east.eu/suriyel/

Denn ich habe in Berlin kein Zuhause mehr. Genauer gesagt: ich habe überhaupt kein Zuhause mehr…

Mitte Februar bin ich aus der Spirituellen WG am Prenzlauer Berg ausgezogen. https://www.water-runs-east.eu/spirituelle-wg/

Die Umzugsfirma hat mein Hab und Gut eingelagert. Ich bin bei Freunden in Bayern untergekommen.

Vorübergehend.

Deshalb bin ich froh, dass Suriyel mich so großzügig bei sich aufnimmt. Ich darf am Sonntag, dem 02. März im Buddhistischen Zentrum von Berlin-Friedrichshain Lhosar – Tibetisches Neujahr – feiern und verbringe einen wunderbaren Tag mit meiner Sangha.

Und es gibt wahrhaftig etwas zu feiern: Das Jahr des „Holz-Drachen“ ist glücklich überstanden!

Mir hat der hölzerne Drache dramatische zwölf Monate geschenkt: Zu seinem Beginn – Ende Februar 2024 – zog ich nach Berlin in die Spirituelle WG. https://www.water-runs-east.eu/prenzlauer-berg/

Im September 2024 organisierte ich dort die erste Veranstaltung des neu gegründeten „Zentrums für Praktische Spiritualität“. https://www.water-runs-east.eu/rinpoche/

Zwei Wochen später träumte ich von einem alten evangelischen Pfarrhaus mit Weiher. Am nächsten Morgen fand ich die Immobilienanzeige dazu. https://www.water-runs-east.eu/weiher/

Karma, Baby…

Herbst und Winter waren rocky – um es milde auszudrücken. Ich beerdigte sämtliche Lebenspläne, litt an Angstzuständen und einer heftigen Identitätskrise und legte mir ein riesiges Baufahrzeug zu. https://www.water-runs-east.eu/crafter/

Während der ganzen Zeit war offen, ob ich das Pfarrhaus kaufen konnte, oder nicht.

Ende Januar erhielt ich die Zusage, dass ich es kaufen, und daraus ein buddhistisches Seminarhaus machen durfte.

Genauer: Das „Zentrum für Praktische Spiritualität ‚Pema Chölin‘ im Alten Pfarrhaus von Dewitz“.

Und heute, am 03. März – pünktlich zu Beginn des Jahres der „Holz-Schlange“ – mache ich mich auf dem Weg nach Neubrandenburg, um den Kaufvertrag zu unterzeichnen.

Nach dem Frühstück und der Morgenpraxis verabschiede ich mich von Suriyel, ziehe seine Wohnungstür zu und nehme den Aufzug ins Erdgeschoss.

Als ich das erste Mal bei Suriyel übernachtete, fand ich sein Zuhause höchst exotisch. Noch nie zuvor war ich in einer Plattenbausiedlung gewesen! Riesige Wohntürme säumen die Straße, in der Suryiel lebt. Sein Haus hat sechzehn Stockwerke, in denen Tür an Tür 150 Menschen wohnen.

Ich bin in einem Bauerndorf im bayerischen Chiemgau aufgewachsen. Schon das Konzept, zur Miete in einer Wohnung zu wohnen, war mir fremd.

Man hatte sein eigenes Haus und Punkt!

Später lebte ich dann selbst jahrelang in Mietwohnungen. Es fühlte sich nie richtig an.

Deshalb war es wohl unvermeidlich, dass sich irgendwann die „natürliche Ordnung“ in Form einer Eigentumswohnung einstellte.

Begleitet vom, aus der Kindheit vertrauten, Gefühl der Sicherheit. Und vom ebenso vertrauten Gefühl, unbeweglich zu sein.

Fixiert.

Abgeschnitten vom Fluss des Lebens.

Vor fünf Jahren der Ausbruch. Und der Schwur, von nun an im Flow zu leben. Niemals wieder Erstarrung zuzulassen.

Selbst um den Preis eines Lebens in den Wohnungen fremder Menschen. Erst zur Untermiete in Leipzig, dann in der Spirituellen WG in Berlin.

So unbequem und mühsam die Sache war – ich lebte im Bewusstsein, alle Begrenzungen hinter mir gelassen zu haben.

Der erste Besuch bei Suriyel im Februar 2024 führt mir vor Augen, wie limitiert diese Einschätzung war! Ich hatte zwar das bürgerliche Wohneigentum, nicht aber den gutbürgerlichen Lebensstil aufgegeben.

In Leipzig lebte ich zur Untermiete in einer Altbauwohnung im edlen Gründerzeitviertel. In Berlin bewohnte ich das oberste Stockwerk eines Architekten-Townhouses im angesagten Prenzlauer Berg.

Als ich das erste Mal in Suriyels Ein-Zimmer-Wohnung stand, musst ich mir eingestehen, dass ich – WG hin oder her – immer noch ein fürchterlicher Snob war!

Eine Plattenbausiedlung lag schlicht jenseits meines Vorstellungsvermögens.

Inzwischen fühle ich mich fast schon Zuhause, stelle ich fest, als ich im Fahrstuhl in die Tiefe gleite. So furchtbar, wie ich mir das vorgestellt hatte, ist das Leben im Plattenbau defintiv nicht.

Gleich gegenüber – auf dem zentralen Parkplatz des Plattenbauviertels – steht mein Crafter. Ich turne auf den Fahrersitz und tippe die Adresse der Notarin in das Navi ein.

Zwei Stunden Fahrtzeit bis Neubrandenburg.

Der Crafter zuckelt durch Lichtenberg. Stop and go durch Friedrichshain, Prenzlauer Berg, Moabit.

Zwanzig Minuten Autobahn, dann Bundesstraße. Kilometerlange Alleen, die alten Bäume links und rechts der Straße sind noch winterkahl.

Auf den Feldern sprießt das erste Grün. Darauf immer wieder Vogelschwärme auf der Suche nach Futter: Silberne Reiher, weiße Reiher, Störche, Gänse.

In den Dörfern links und rechts der Bundesstraße rote Backsteinhäuser.

Schön ist es hier. Und fremd.

Zur Mittagszeit erreiche ich Neubrandenburg. In der Innenstadt drei Parkhäuser, ansonsten nur Kurzparkzonen. In einer ruhigen Seitenstraße endlich ein Parkplatz, groß genug für den Crafter.

Zwei Stunden bis zum Notartermin. Ich wandere durch die gesichtslose Fußgängerzone.

Der Himmel hat zugezogen. Eisige Windböen jagen durch die breiten Straßen.

Auf einem leeren Platz eine riesige rote Backsteinkirche. Hier gibt es keine Gottesdienste, entnehme ich der Infotafel, dafür Konzerte, Cabarett-Abende und Musical-Aufführungen.

Die Kirche ist im gleichen Baustil wie mein Pfarrhaus erbaut. Sie ist allerdings ein paar Jahre jünger: Einweihung 1841.

Mein Pfarrhaus ist Jahrgang 1800. Elf Jahre nach der Französischen Revolution erbaut.

Fröstelnd überquere ich den großen menschenleeren Platz, wandere durch ein historisches Stadttor, kreuze den Innenstadtring und betrete das Büro der Notarin.

Der Makler erhebt sich bei meinem Anblick vom Stuhl im Wartezimmer und schüttelt mir die Hand. Er wird im Auftrag der Besitzer den Kaufvertrag unterschreiben.

Ich gebe meinen Ausweiß am Empfang ab.

Der Makler und ich werden in einen Konferenzraum geführt. Die Notarin ist Ende dreißig, groß, blond und schön. Nach einer kurzen Begrüßung rattert sie mit leiernder Stimme fünfzehn Seiten Kaufvertrag hinunter.

Der Makler unterschreibt zuerst, dann reicht er den Kugelschreiber über den Tisch.

Ich denke und fühle nichts, als ich meinen Namen auf die letzte Seite des Dokuments setze.

Auf dem Gehweg überreicht mir der Makler eine Plastiktasche. Darin: Ein leerer Ordner für meine Haus-Unterlagen und drei Gläser Honig vom örtlichen Imker.

Er drückt mir zum Abschied die Hand. „Da haben sie einen guten Kauf getan!“, erklärt er mir, bevor er in Richtung Innenstadt verschwindet.

So wird es wohl sein.