Suryiel führt mich in die Geheimnisse des Heizsystems des historischen Pfarrhofs von Dewitz ein. Ob ich das jemals selbst hinbekommen werde?

Ich schlafe gut in meiner ersten Nacht im neuen Zuhause. https://www.water-runs-east.eu/einzug/

Suriyel auch. Obwohl es nicht sein „neues Zuhause“ ist, wie er immer wieder betont.

Nach dem Frühstück führt er mich in den unsanierten Teil des Haupthauses. Hinter der historischen Schwarzküche befindet sich ein hölzerner Anbau. In dem ist die Heizanlage untergebracht.

Suriyel wird heute Abend nach Berlin zurückkehren. Morgen muss er wieder arbeiten.

Deshalb ist es an mir, zu lernen, wie ich alleine mit der Heizung klarkomme.

Einer komplizierten Konstruktion, bestehend aus einem Holzscheit-Brenner, einer Gastherme und obendrauf noch einer Solartherme.

Suriyel ist begeistert davon. „So ein tolles System!“, erklärt er mir, während er die verschiedenen Displays kontrolliert. „Alles ist gut aufeinander abgestimmt!“

Er referiert die Bestandteile: „Das hier sind die beiden Pufferspeicher.“ Er zeigt auf die beiden Tanks, die in ihren dicken Isolierschichten aussehen wie überdimensionierte Michelin-Männchen.

„Der hier“, er weißt auf den größeren, „speichert innen das warme Verbrauchswasser, das von der Solartherme erhitzt wird und außen das Wasser für das Heizungssytem. Das wird von der Holzscheit-Heizung erhitzt. Wenn du mal keine Zeit zum Einheizen hast, kannst du auch die Gastherme einschalten. Aber bei den aktuellen Gaspreisen würde ich das nur machen, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Holz hast du ja genug.“

Das stimmt: Auf dem Gelände und in den Nebengebäuden lagern unzählige Kubikmeter Holz, die für viele Jahre reichen.

„Der kleinere Pufferspeicher ist nur für das Heizsystem“, fährt Suriyel fort.

Ich bin kurz abgelenkt: Hat Suriyel doch tatsächlich den Pin-up-Girl-Kalender über dem Brenner umgeblättert!

Gestern war da noch ein lasziv lächelndes Model im durchsichtigen weißen Häkel-Top, heute ist es eines in braunem Gaze!

Das hätte ich Suriyel nicht zugetraut! Über der Werkbank im Tibetisch-Buddhistischen Zentrum von Friedrichshain hängen züchtig die letzten drei Karmapas und der Dalai Lama! https://www.water-runs-east.eu/das-buddhistische-zentrum/

Der Pin-up-Girl-Kalender stammt vom Vorbesitzer des Pfarrhofs. Einem Mann namens Frank. Dieser Frank scheint ein begabter Handwerker gewesen zu sein. Das Heizungssystem, das elektrische Gartentor, all die klugen Dinge in der Werkstatt – das alles verdanken wir diesem verstorbenen Frank.

Suriyel findet immer wieder einen Grund, sich lobend über Frank zu äußern.

Auch ich bin dem unbekannten Frank dankbar dafür, dass er dafür gesorgt hat, dass ich jetzt in einer sanierten Wohnung leben darf, warmes Wasser und Heizung habe und Suriyel glücklich über die riesige Werkstatt ist.

Allerdings bin ich auf eine Reihe von Indizien gestossen, die vermuten lassen, dass mein Vorgänger ein antiquiertes Frauenbild pflegte. Und überhaupt zu Frauen ein eher kompliziertes Verhältnis zu unterhalten schien.

Nicht nur der vergilbte Pin-up-Girl-Kalender über dem Heizkessel und die anderen leicht bekleideten Mädchen, die mir von den vielen Email-Schildern und Plaketen im Heizungsraum entgegen lächeln, lassen diesen Schluss zu.

Am sprechensten finde ich ein Email-Schild in der riesigen Sammlung am Werkstatttor: „Frauen an die Macht!“ steht da. Und darunter: „Macht Kaffe! Macht Essen! Macht Sauber!“

„Kein Wunder, dass Frank nie eine Frau gefunden hat, die ihn geheiratet hat.“, stelle ich fest, als ich diesen Ausbund an Dämlichkeit entdecke.

Suriyel schweigt dazu. So ist das mit den Männern: Eine Krähe hakt der anderen kein Auge aus…

Suriyel in seinem Reich: Der riesigen Werkstatt des historischen Pfarrhofs von Dewitz.

„Was machen wir mit den ganzen Plaketten und Bildern?“, frage ich Suriyel.

„Hängen lassen“, kommt es zurück.

Jetzt spare ich mir den Kommentar dazu. Das ist keinen Streit wert.

Nichtsdestotrotz werde ich bei nächster Gelegenheit den Akkuschrauber herausholen und Franks Sammlung an die neuen Besitzverhältnisse anpassen.

Oder besser: Die neuen Besitzerin-Verhältnisse.

Aber erst einmal muss die emanzipierte neue Besitzerin des Pfarrhofs lernen, das Heizsystem zu bändigen!

Brav wiederhole ich alle Ausführungen Suriyels, benenne Pufferspeicher, Anzeigen, lasse mich von ihm durch das Menü des Heizkessels lotsen und versuche zu behalten, welches Rohr wohin führt.

Womit wir beim wichtigsten Punkt angekommen sind: Dem Beheizen des Kessels.

Mit Holz.

Dem fühle ich mich einigermaßen gewachsen, bin ich doch mit einem großen Kachelofen aufgewachsen. Auch den musste ich regelmäßig heizen und schüren.

Allerdings mit einer Zeitung und Kiefernästen, die meine Oma immer im Wald sammelte und neben dem Ofen lagerte.

Im Pfarrhof geht es rustikaler zu: Suriyel nimmt ein Holzscheit vom Stapel, sperrt die Seitentür des Heizungsraums auf und scheucht mich ins Freie. Im Nieselregen geht es ein paar Meter quer über die Wiese zur Werkstatt. An deren Ecke stehen zwei Hackstöcke. Auf dem vorderen liegt ein verrostete Spaltbeil.

Mit dem hackt Suriyel gekonnt das Holzscheit klein.

„Willst du es auch mal versuchen?“

Ich habe nicht vor, mich vor ihm lächerlich zu machen. Das probiere ich ohne Zuschauer aus.

„Nein, das mache ich, wenn ich selbst einheize.“ Ich mache mir eine mentale Notiz, beim nächsten Besuch im Baumarkt an ein neues Spaltbeil zu denken. Damit geht es hoffentlich einfacher, als mit diesem verrosteten Ding.

Ich folge Suriyel zurück in den Heizungsraum.

„So geht der Kessel auf!“ Er entriegelt den Brenner – und schließt ihn gleich wieder.

„Jetzt du!“

Ich brauche drei Anläufe, bis ich es heraus habe.

„Jetzt heizen wir an.“ Suriyel wirft das Holz in den Brenner, entzündet mit dem Feuerzeug ein Stück Grillanzünder – von Frank in einer staubigen Keksdose unter dem Pin-up-Girl-Kalender platziert – und lässt ihn ebenfalls in den Brenner fallen.

Nach ein paar Minuten – und mehreren Kontrollblicken – fordert Suriyel mich auf, ein großes Scheit vom Holzstoß zu nehmen und in den Brenner zu werfen.

Was ich auch tue – aber so ungeschickt, dass sich das schwere Scheit im Inneren des Brenners verkeilt und nicht in die Flammen fällt.

„Die Scheite sind genau auf die Maße des Brenners hin geschnitten“, erklärt mir Suriyel, während er in die züngelnden Flammen greift und das verklemmte Scheit wieder herausholt. „Du musst es gerade reinwerfen!“

Ergeben stemme ich das schwere Scheit hoch und hieve es vorsichtig in den Brenner. Funken sprühen, als es in den Flammen auf dem Boden des Brenners aufschlägt.

Suriyel wirft noch zwei weitere Scheite hinterher – ihm macht die Sache erkennbar Spaß – dann verriegelt er die Brennertür.

„Du musst alle drei bis vier Stunden nachheizen. Das machst du so lange, bis die Pufferspeicher bei 85-90 Grad sind.“

„Und wie lange halten die das warme Wasser vor?“

„Das musst du ausprobieren. Wenn du Glück hast, zwei bis drei Tage.“

Na dann.

Ich bin mir sicher, dass ich im Frühjahr nächsten Jahres souverän das Heizsystem bedienen werde. Ganz alleine, autonom und selbstbestimmt.

Bis dahin werde ich mich sicher regelmäßig blöd anstellen, frustriert und verzweifelt sein.

Das ist der Preis für „Frauen an die Macht“…