Ich zelebriere ein Hexen-Opfer auf einem keltischen Opferstein – und werde mit erstaunlichen Besuchern konfrontiert…

Auf einem Barockball in der sächsischen Provinz tanze ich Quadrille. https://www.water-runs-east.eu/barock/
Mit einer Hexe aus dem Harz. https://www.water-runs-east.eu/hexe/
Die zelebriert regelmäßig Hexen-Opferfeste auf keltischen Opfersteinen. Von denen gibt es im Thüringer Harz mehrere. https://www.water-runs-east.eu/hexenopfer/
Ein paar Wochen nach dem Ball bin ich bei einer Freundin in Rheinland-Pfalz zu Besuch. Durch Zufall erfahre ich von ihr, dass sich auch im Pfälzer Wald ein keltischer Opferstein befindet.
Auf dem Maimont.
Am nächsten Tag machen wir uns auf dem Weg zum Berg – und zur keltischen Opferschale. Denn ich habe mir in den Kopf gesetzt, dort ein Hexen-Opfer darzubringen. https://www.water-runs-east.eu/?p=8731&preview=true
Als wir endlich an der Opferschale auf dem Hochplateau des Maimont angekommen sind, ist es bereits Mittag.
Der Stein reicht mir fast bis zur Hüfte. Er hat eine Länge von etwa zwei Metern und ist einen Meter breit. In der vorderen Hälfe befindet sich eine große Mulde. Von oben, finde ich, sieht diese „Opferschale“ aus wie ein Vogelkopf.

Der große Stein ist geborsten. Wie der Riss, der sich quer durch die Vertiefung zieht, entstanden ist, weiß ich nicht. Und auch nicht, ob der Stein schon seit vielen Jahrhunderten beschädigt ist, oder der Sprung jüngeren Datums ist.
Falls ein Wissenschaftler die Geheimnisse der keltischen Opferschale auf dem Maimont erforscht hat, hat er seine Erkenntnisse nicht online gestellt. Google weiß nichts über den Opferstein.
Was schade ist.
Während ich die Opfergaben für das Hexen-Ritual aus meinem Rucksack hole, frage ich mich, ob der Stein schon immer hier gewesen ist, oder ob ihn die keltischen Erbauer der Ringanlage von irgendwo hierher geschafft haben?
Wurde er wirklich für Opferrituale benutzt, so wie das bei den Opferschalen im Harz der Fall ist? Zumindest hat mir das die Hexe erzählt. Ich habe keine Ahnung, ob ihre Geschichten historisch korrekt sind.
Egal.
Geträulich befolge ich die Anweisungen der Hexe, die sie mir gestern über Messenger hat zukommen lassen. Vorsichtig platziere ich Rosen, Lavendel, Weintrauben und einen Apfel in der Opferschale und komme mir albern dabei vor.

Glücklicherweise sieht mir nur meine Freundin bei den Vorbereitungen zu. Die hat es sich auf einem Felsen nicht weit von mir gemütlich gemacht und Tee und belegte Brote ausgepackt.
Obwohl ein Wanderweg direkt am Opferstein vorbeiführt, scheinen wir alleine auf der Hochebene zu sein.
Um uns herrscht tiefe Stille.
Nachdem ich das Opfer so appetitlich als möglich in der Schale angerichtet habe, kommt das wichtigste: Das Räucherstäbchen!
Vorsichtig platziere ich ein edles japanisches Stäbchen in einem kleinen Halter auf dem Rand des Opfersteins und zünde es an.
So hat mir das die Hexe erklärt.
Und, dass ich an der Opferschale ausharren müsse, bis das Räucherstäbchen vollständig heruntergebrannt ist! Sonst wäre es kein „gültiges“ Opfer!

Als ich heute morgen vor dem Aufbruch noch einmal die Anweisungen für das Opfer überflog, hatte ich spontan meine Mala eingesteckt.
Denn mir war eine Idee gekommen: Während der halben Stunde, die es dauert, bis das Räucherwerk verglüht ist, konnte ich mein Mantra rezitieren, anstatt untätig herumzusitzen!

Jetzt lasse ich mich gegenüber des Räucherstäbchens auf der anderen Seite der Opferschale auf dem Felsen nieder und hole die tibetische Gebetskette mit ihren 108 Perlen aus meiner Jackentasche.
Während der feine Rauchfaden des Räucherstäbchens in den Himmel steigt, rezitiere ich mein Vajra-Armor-Mantra. Das ist magisch und speziell. Ich habe es von meiner Khandro – meiner tibetischen Lehrerin – bekommen. https://www.water-runs-east.eu/?p=8782&preview=true
Auf einmal ist mir, als würde es schlagartig kühler. War mir noch vor wenigen Minuten in der warmen Herbstsonne angenehm war, beginne ich jetzt zu frieren.
Gleichzeitig glaube ich, die Tritte vieler Menschen wahrzunehmen. Von allen Seiten klingt das Rascheln von Laub zu mir herüber.
So kommt es mir vor – und gleichzeitig auch wieder nicht.
Da ist die vollkommene Stille auf dem – von der warmen Herbstsonne beschienenen – Hochplateau. Und zur selben Zeit die Kälte und die Geräusche.
Ich rezititere weiter konzentriert mein Mantra und starre dabei auf den zarten Rauchfaden des Räucherstäbchens – mit einem Mal glaube ich, in einiger Entfernung Gestalten zu erkennen.
Oder doch nicht?
Verwirrt hebe ich den Blick. Im Abstand von etwa zwanzig Metern um die Opferschale – so scheint es mir – stehen riesige Gestalten.
Eingehüllt in bodenlange fließende Gewänder, das lange Haar offen, die Bärte bis zur Brust reichend, stehen dicht an dicht Männer und Frauen. Sie wirken, als wären sie aus Eis gegossen.
Sie verströmen Klarheit – und Kälte.
Vor Schreck kippe ich beinahe vom Opferstein. Irgendwie gelingt es mir – vor Angst und Kälte mit den Zähnen klappernd – weiter mein Mantra zu rezitieren.
In einem Moment glaube ich, die Gestalten – es müssen mehrere hundert sein – klar zu erkennen. Im nächsten Moment bin ich mir sicher, dass ich mir das alles einbilde.
Sehe ich sie – oder ist das hier alles ein wilder Fiebertraum.
Schließlich ist das Räucherstäbchen heruntergebrannt. Als ich mit zitternden Fingern die Mala wieder in meine Jackentasche stecke, drehen sich die eisigen Gäste um und verschwinden innerhalb von Sekunden zwischen den Bäumen.
Von Minute zu Minute wird es auf dem Hochplateau wieder wärmer.
Irgenwo über mir ruft eine Krähe im Baumwipfel. Es ist, als würde ihr hartes Krächzen einen Zauber brechen.
Meine Freundin kommt zu mir. „Hast du das auch gehört?“
„Was denn?“
„Diese Schritte! Als ob viele Menschen hierher gekommen sind! Und diese Kälte! Was ist das nur gewesen?“
Ich habe keine Ahnung.
Nicht einmal davon, ob es mich beruhigt, dass meine Freundin ähnliches erlebt hat.
Vielleicht spinnen wir einfach beide gleichzeitig?
Nach meinem „Hexen-Opfer“ bin ich so erschöpft, dass ich mich kaum noch auf den Beinen halten kann.
Die wenigen Kilometer bis zum Parkplatz bewältige ich nur mit Mühe. Am Auto angekommen, lasse ich mich auf den Beifahrersitz fallen und versuche, meinen Nerven zu beruhigen.
Ich stehe unter Schock, stelle ich fest.

Zweieinhalb Monate nach dem Hexen-Opfer auf dem Maimont treffe ich meine Khandro wieder. Das nächste Vajra Armor Retreat beginnt.
Endlich – nach mehr als zwei Jahren Pause wegen der Covid-Pandemie!
Ich erzähle der Khandro, dass ich das Vajra Armor Mantra an einem keltischen Opferstein rezitiert habe. Und dass daraufhin hunderte riesige Gestalten aufgetaucht sind. Geformt aus Eis.
Die Khandro verzieht keine Miene. „When they appear it implies that they accept the offer.“
„Who are they?“, frage ich sie.
„Natural spirits. The land lords of this montain.“
Wow! Ich habe eine Gänsehaut!